Analyse zur aktuellen TourismuswerbungSorgenlose Ferien in der Schweiz – bis zur zweiten Welle? Hiesige Regionen werben in Videos mit den tiefen Corona-Fallzahlen. Dabei gehen sie ein unnötig hohes Risiko ein. MeinungAndreas Tobler Publiziert: 10.06.2020, 17:03 Ferien, endlich! Für die meisten von uns ist es in den nächsten Wochen so weit. Und es wird kräftig darum geworben, dass wir sie diesmal in der Schweiz verbringen. Ist ja auch okay, Schönes in nächster Nähe zu entdecken. Oder mal auszuprobieren, ob es wirklich so schwer ist, was die Klimajugend in Sachen Selbstbeschränkung eingefordert hat. Und es gibt ja auch pragmatische Gründe, die in diesem Jahr für Sommerferien in der Schweiz sprechen. Denn wer hat schon Lust, seine aufwendig organisierten Überseeferien zu stornieren, wenn just an der Traumdestination die Fallzahlen nach oben schnellen oder gar eine zweite Corona-Welle losgebrochen ist? Aber die aktuellen Werbespots der Schweizer Tourismusdestinationen gehen deutlich übers Pragmatische und Vernünftige hinaus: «Erlebt es frei und sicher», heisst es etwa im Spot des Tessins. «Ein Land, in dem du dich um nichts zu sorgen brauchst, das sich um dich kümmert», hört man im Clip von Schweiz Tourismus. War da nicht gerade noch etwas mit diesem Coronavirus – vom Versammlungsverbot bis hin zum Lockdown? Genau, darauf nehmen fast alle aktuellen Tourismuswerbungen Bezug. «Bei uns berührt dich höchstens die Natur», heisst es im Spot von Graubünden Tourismus mit den beiden animierten Steinböcken Gian und Giachen, «da hat auch jeder genug Platz», meint der eine der beiden. Überdeutlich wirbt man in Bern: «Palma de Mallorca, Sandstrand, Corona und spitzige Steine», heisst es da. Also klassische Negativwerbung, mit der eine andere Feriendestination zugunsten von Bern abgewertet wird. Was, wenn es in der Schweiz zu einem zweiten Ischgl kommt? Die Message der aktuellen Tourismuswerbung ist immer klar: In der Schweiz ist es nicht nur ebenso schön wie anderswo, man kann hier auch Corona-freie Ferien machen. Die tiefen Fallzahlen sprechen ja für sich, könnte man meinen. Aber was, wenn es zu einer zweiten Welle kommt? Wenn sich ein Grüppchen auf der Piazza Grande in Locarno mit dem Virus ansteckt? Wenn es in Graubünden zu einem zweiten Ischgl kommt? Spätestens dann werden die Spots der hiesigen Tourismusregionen auf Youtube ganz nach oben gespült, von denen derjenige von Schweiz Tourismus allein in der deutschsprachigen Version bereits über 400’000 Mal geschaut wurde. Schon jetzt schaut man diese Spots mit einem flauen Gefühl an, da darin ein unnötig grosses Risiko eingegangen wird: Die Schweizer Tourismusregionen werben mit einer Sicherheit, die sich zwar alle wünschen, die aber niemand garantieren kann.